Der eine Tag

Eine unscheinbare Höhle.
Oder besser, ein Loch?
Nur eine kleine Öffnung direkt über der Höhle dient als Einlass.
Doch unfreundlich.
Durch die Öffnung würde man zehn Meter zum Boden stürzen.
Nur um auf mit Moos bewachsenen Felsen zu landen.
Vielleicht deswegen war noch nie jemand in dieser Höhle.
Vielleicht auch nur weil sie noch nie jemand gefunden hat.
Aber was hätte man schon verpasst?
Dunkle Nischen, feuchte und rutschige Steine.
Nein, die Höhle war glücklich mit ihrer Abgeschiedenheit.
So seltsam war es an diesem einen Tag;

Es muss Frühling gewesen sein.
Es roch so frisch.
Die Höhle war noch nicht richtig munter.
Als ein verwegener Sonnenstrahl diese kleine Öffnung fand.
Vorsichtig tastete er sich vor und traf auf den bemoosten Untergrund.
Er spielte mit dieser einzelnen Blume.
Eine Blume, in dieser Höhle.
Bizarr.
So zerbrechlich, so wunderschön.
Die Beiden spielten den ganzen Tag.
Bis der Abend den Sonnenstrahl wieder fort rief.
Die Blume lächelte noch einmal.
Das war ihr Tag.
Wissend, dass war ihr einziger Tag.
Zu schade, dass niemand da war, um es zu sehen.

Er hatte nie verstanden …

Es ist Kunst!
So verstand er es.
Es kann nur Kunst sein.
Daran glaubte er fest.
Was sollte es sonst sein?
So unverstanden, so ungreifbar.
Das ist Kunst, stellte er erregt fest.
Mit glänzenden Augen betrachtete er sie.
Etwas so Schönes.
Etwas so Neues.
Mit Samthandschuhen trug er sie herum.
Bestaunte sie und verlor sich darin.
Erschreckt, warf er sie fort.
Als er merkte, wie sehr sie ihn einnahm.
Grausame Kunst, dachte er.
Was machst du mit mir?
Und misstrauisch starrte er sie an.
Aus sicherer Entfernung beobachtete er sie jetzt.
Auch wenn die Kunst noch öfter nach ihm rief.
Doch auch Kunst hat nicht endlos Energie.
Sie wollte sich nicht nur verteidigen.
Sie wollte erlebt,
sie wollte gelebt werden.
Er merkte nicht, dass sie sich immer weiter zurück zog.
Sie sich vor ihm zu verstecken begann.
Ja, die Kunst hatte Angst vor ihm.
Aber sie flüchtete nicht.
Sie trat nur langsam,
resignierend,
den Rückzug an.

Er hatte nie verstanden, dass es Liebe war.